Rezensionen zum Roman "Leon, Don Carlos und Ich"
4,0 von 5 Sternen, Holger Reischock
Bewertet am 29. März 2025
Don Carlos und die Mühen der Kunst
Eine interessante Lektüre, nicht nur, aber vor allem für Theaterfreunde, die zumindest eine Ahnung davon haben, dass ein Schauspieler weit mehr können muss als einen Text auswendig zu lernen. Großes Kino (auch auf der Bühne) entsteht eben immer (noch) aus einer tiefen, im besten Sinne besessenen Auseinandersetzung mit der Rolle - ohne Ehrfurcht vor dem großen Namen des Autors. "Den Text des genialen Dichters transportierst du aber nicht, indem du wie ein angereicherter Hohlkörper aufrecht über die Bühne schreitest und schön guckst", schreibt Leon alias Zerbe, "sondern du musst ihm das Innenleben verpassen, das sich Schiller erdacht hat." Darum geht es in dem Buch, in dem sich eine fiktive Handlung vermischt mit autobiografischen Zügen, eigenen Erfahrungen und wohl auch späten Erkenntnissen des Autors. Die Grenzen sind fließend. Zerbe gibt einen Einblick in das mühsame Entstehen einer Inszenierung, aber auch um grundsätzliche Fragen der Kunst und des Theaters schlechthin. Weit mehr als eine getarnte Autobiografie also, obwohl sein bewegtes Schauspielerleben in der DDR und der Zeit danach auch eine solche wert gewesen wäre. Bleibt die Frage, ob eine derart intensive Auseinandersetzung mit einem Stück, einer Rolle in unserer schnelllebigen Zeit mit all ihrer Medienvielfalt heute noch möglich oder gewünscht ist - zumindest jenseits der klassischen "Bretter, die die Welt bedeuten." Wenigstens aber sollte Zerbes Buch zur Pflichtlektüre für all die kleinen Stars der Kategorie C und tiefer werden, die sich auf roten Teppichen der Klatschpresse präsentieren, nachdem sie in einer Seifenoper, heute: Reality TV, mal einen gefeierten Auftritt hatten. Zum Lernen ist es nie zu spät.
4 von 5 Sternen, Evelyn Schmidt, Regisseurin
Zur Arbeit an sich und der Rolle
Bewertet am 29. April 2025
„Von erfolgreichen Schauspielern und Schauspielerinnen sagt man gern, dass sie von einem Geheimnis umgeben sind. Das gibt ihrem Spiel Tiefe und etwas Unergründliches. Autor Uwe Zerbe, selbst renommierter Schauspieler, sucht in seinem Roman nach diesem Unergründlichen. In der Auseinandersetzung mit verschiedenen Bühnenfiguren, vorrangig der des Don Carlos, beschreibt er, wie sich der mit solidem Handwerk ausgestattete junge Mann Leon nach dem Schauspielstudium an einem Stadttheater bewähren muss. Die genaue Beschreibung der Theateratmosphäre verbindet sich mit Recherchen um den historischen Carlos, um Schillers Sprache, mit eigenen Assoziationen Leons und den Intentionen des Regisseurs. Doch wesentlicher scheint mir für Leon neben der fachlichen Anerkennung als Kollege die Sehnsucht nach echter Freundschaft. Damit verbindet sich die Schauspielkunst mit seinem Leben. Uwe Zerbe gelingt durch sensibles Erzählen, wie sich nicht nur die Bühnenrolle entwickelt, sondern auch sein jugendlicher Darsteller an Reife gewinnt. Der Autor begibt sich auf Spurensuche und lüftet auf amüsante Weise das Geheimnis von wahrhaftiger Schauspielkunst. Mit „man hat’s“ oder „man hat’s nicht“, ist es eben nicht getan.“